Michaelis - Ev.-luth. Kirchengemeinde Hannover-Ricklingen

Die Geschichte der Michaeliskirche und der Edelhofkapelle

von Jürgen Walter

Die Michaeliskirche

Michaeliskirche Bauzeichnung
Michaeliskirche Bauzeichnung

Der 29. September 1888 war für Ricklingen ein großer Tag. Die Michaeliskirche wurde genau ein Jahr nach der Grundsteinlegung am Michaelistag feierlich eingeweiht. Endlich hatten die Ricklinger eine eigene Kirche. Die Einwohnerzahl des Dorfes hatte sich seit der Gründung der Michaelis-Kirchengemeinde im Jahr 1877 mehr als verdoppelt. 2300 Bürger wohnten 1888 im aufstrebenden Ricklingen. Die Edelhofkapelle war zu klein geworden, sie war zudem im Besitz der Familie von Alten-Linden und das Nutzungsrecht war abgelaufen.

Das Grundstück für den Neubau an der Stammestraße bekam die Gemeinde von der Familie v. Alten geschenkt. Hieran erinnert das Altensche Wappen neben dem Drachentötenden St. Michael über dem Kirchenportal. Auch bekamen die Ricklinger v. Alten das Belegerecht für zwei Reihen auf der linken Empore. Messingschilder erinnern hier an Mitglieder der Familie.

Engel Michael (Portal)
Engel Michael (Portal)

Die Baupläne für die Kirche erstellte Friedrich, genannt Fritz Knust aus Linden, ein Schüler des hannoverschen Baumeisters C. W. Hase. Die Michaeliskirche gehört zu den vielen Kirchenneubauten in Hannover und Umgebung, die seit 1850 im Stil der von C. W. Hase begründeten sog. „Hannoverschen Schule“ gebaut wurden.

Michaelis Jesus (4)
Michaelis Jesus (4)

Sie ist eine neugotische, 5-achsige Backstein-Hallenkirche mit eingezogenem 5/8-Chor mit angelegter Sakristei. Eindrucksvoll ist Inneren die Konstruktion der Empore. Sie ist ganz aus Holz und mit einigen Schnitzereien und sparsamen Farbmustern versehen. Zusammen mit der Holzdecke, den Bänken und der Kanzel bekommt der Raum dadurch den Charakter einer Dorfkirche und eine warme Atmosphäre. Ursprünglich hatte die Kanzel noch einen Schalldeckel, ebenfalls aus Holz. Die Kirche hat übrigens eine hervorragende Akustik.

Fenster entzerrt Detail (3)
Fenster entzerrt Detail (3)

Schön sind auch die drei farbigen Fenster im Chorraum mit dem großen Jesusbild in der Mitte. Aus welcher Werkstatt diese Bilder stammen, war bisher nicht zu ermitteln.

Michaelis Bild links (2)
Michaelis Bild links (2)

Neben der Ausmalung der Seitenwände und des Chor-raumes mit dem Hirschmotiv fällt natürlich sofort das große Wandbild an den beiden Stirnseiten des Chores auf. Gott, der Weltenrichter, flankiert von den 12 Aposteln, entscheidet zwischen Gut und Böse Der Ricklinger Maler Karl Grono schuf es im Jahr 1906.

Michaelis Bild rechts (2)
Michaelis Bild rechts (2)

Drei Orgeln hat die Kirche bisher erlebt. Die erste Orgel wurde 1928 ausgetauscht. Die heutige Orgel wurde 1971 eingebaut und 1975 erweitert.

Im Turm hängen drei Glocken. Die älteste hing ursprünglich in der Edelhofkapelle und wurde 1888 in die neu erbaute Kirche geholt. Sie stammt aus dem Jahr 1483, dem Geburtsjahr Martin Luthers und wird daher auch “Lutherglocke“ genannt. Sie trägt die Inschrift:
„Anno M CCCC LXXX III O. rex. glorie. xpe. vei. cu. pace.“
Zu Deutsch: „Im Jahre 1483 O König des Ruhms, Christe, komme mit deinen Frieden“.
Die beiden anderen Glocken sind 1920 und 1956 beschafft worden. Ihre beiden Vorgänger wurden im 1. Weltkrieg für die Waffenproduktion abgeholt und eingeschmolzen.

Der Innenraum der Kirche veränderte sich in bestimmten Abständen. Er wurde bei Renovierungen dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Die erste große Änderung kam im Jahr 1938 zum 50-jährigen Bestehen der Kirche. Die gesamte Bemalung wurde weiß übergestrichen. Stattdessen wurden an den Stirnseiten Bibelsprüche und eine Gedenktafel für die Gefallenen des 1. Weltkrieges angebracht. Außerdem bekam die gesamte Holzkonstruktion einschließlich Bänke und der Kanzel einen rotbraunen bzw. grauen Anstrich.

1946 wurde auch die Kirche nicht vom Hochwasser in Ricklingen verschont, sie konnte aber erst in den fünfziger Jahren renoviert werden. U.a. wurden die Stirnseiten wieder weiß gestrichen und das Chorgewölbe mit Sternen und biblischen Figuren bemalt – in einer recht schlichten Ausführung.

Die letzte große Renovierung erfolgte in den Jahren 1981/82. Zur Überraschung entdeckte man dabei das Wandbild und die anderen Bemalungen. Die Denkmalpfleger und der Kirchenvorstand waren sich einig: Der Urzustand der Kirche wird wieder hergestellt. Die Bemalung wurde freigelegt und das gesamte Holz mühselig von der Lackfarbe befreit. Es erhielt dadurch wieder seinen natürlichen, warmen Charakter. Und man konnte staunend beobachten, wie die Figuren an der Kanzel plötzlich “lebendig” wurden. Die Beleuchtung wurde erneuert und der Fußboden bekam einen Fliesenbelag.

Die letzte Veränderung in der Kirche erfolgte 2010. Durch die Fusion mit der Maria-Magdalenen-Gemeinde wurde die Kirche am Bangemannweg verkauft. Das dort befindliche, von hinten beleuchtete Altarbild bekam einen Platz in der Michaeliskirche. Stattdessen wurden die beiden Gedenktafeln an die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege in die Kapelle des Michaelisfriedhofs verlegt.

Steingewächse
Steingewächse

Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der Michaelisgemeinde im Jahr 2003 wurde der Vorplatz der Kirche nach Plänen von Hermann Enders neu gestaltet. Parallel dazu haben fünf Gemeindemitglieder die auf dem Platz stehende Steingruppe („Steingewächse“) nach einer Idee der Ricklinger Künstlerin Ulrike Enders angefertigt.

Es lohnt sich, die Michaeliskirche zu einem Gottesdienst oder Konzert zu besuchen!

Hier können Sie sich informieren über die verschiedenen Angaben zum Architekten der Michaeliskirche in den diversen Veöffentlichungen zur Geschichte dieser Kirche. Und Sie erfahren Näheres über den tatsächlichen Architekten: Wer war der Architekt der Michaeliskirche (PDF / 541 KB)

Die Edelhofkapelle

Edelhofkapelle Zeichnung (3)
Edelhofkapelle Zeichnung (3)

Die Edelhofkapelle in Ricklingen gehört zu den ältesten Kirchen Hannovers. Wie die Kreuz-, Ägidien- und Marktkirche wurde sie vermutlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut. Das Mauerwerk der Kapelle besteht aus Kalkbruchsteinen des Lindener Bergs, aus denen auch die hannoversche Stadtmauer, der Beginenturm am Hohen Ufer und die Kreuzkirche errichtet wurden.

Die Edelhofkapelle ist wahrscheinlich an Stelle einer baufällig gewordenen Holzkirche, der sog. „Marienkirche“, errichtet worden, deren Ursprung in das 9. Jahrhundert zurückgeht.

Knochenfunde lassen vermuten, dass an der Edelhofkapelle früher auch Beerdigungen stattfanden.

Die Edelhofkapelle weist noch mehrere Merkmale des romanischen Stils auf. In der Ostwand (Altarwand) befanden sich ursprünglich zwei Rundbogenfenster, die später zugemauert und durch ein gotisches Doppelfenster in der Wandmitte ersetzt wurden.

In den Steinquadern des linken Türbereichs sind Rillen zu erkennen, deren Ursprung Experten

Edelhofkapelle 1895 (3)
Edelhofkapelle 1895 (3)

unterschiedlich deuten. Überwiegend geht man jedoch davon aus, dass Krieger, bevor sie in die Schlacht zogen, hier symbolisch ihre Säbel wetzten. Die Waffen erhielten dadurch eine Art Weihe. Vermutlich wurde auch das sich dabei lösende Steinpulver in einem Beutel als glücksbringender „Talisman“ mitgenommen.

An den Balken der Empore, die aus der Barockzeit stammt, liest man etliche Ricklinger Familiennamen. Warum gerade die darauf stehen, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich haben sich diese Bürger in einer besonderen Weise um Ricklingen verdient gemacht. Zwei Namen sind jedoch erst in den 1960er Jahren dazugekommen: „Kreye“, Pastor der Michaelisgemeinde und „Friedrich Curd v. Alten“, einer der früheren Gutsherren des Edelhofes.

Edelhofkapelle Januar 2007 (4)
Edelhofkapelle Januar 2007 (4) Viele Jahrhunderte diente die Edelhofkapelle den Ricklingern als Kirche. Als „Filial“ von St. Martin in Linden hatte Ricklingen keinen eigenen Pastor, sondern wurde von den Pastoren aus Linden betreut. Zu verschiedenen Anlässen – so zum Fest der „Hagelfeier“ am 1. Mai um 4 Uhr morgens – hatte der Pastor in der Edelhofkapelle zu predigen. Die Ricklinger mussten ihn dazu mit dem Pferdewagen abholen und ihn für seine Dienste hauptsächlich mittels Naturalien bezahlen, z.B. mit Fleisch, Eiern, Brennholz und durch das Nutzungsrecht, seine Schweine im Ricklinger Holz kostenlos zu mästen. Erst 1877 wurde aus der „Filial“ Ricklingen die selbständige Michaelisgemeinde mit einem eigenen Pastor. Elf Jahre später konnte dann auch die Michaeliskirche eingeweiht werden.

Nach dem 1. Weltkrieg vermietete die Familie v. Alten die Kapelle vorübergehend an die Katholiken.

Im Oktober 1943 wurde die Edelhofkapelle durch einen Bombenangriff schwer beschädigt. Das sofortige Eingreifen der Familie v. Alten verhinderte noch größere Schäden. Die Kapelle bekam ein provisorisches Dach und wurde als Scheune umfunktioniert – für eine kirchliche Nutzung hätte man damals keine Dachziegel bekommen. Erst Anfang der 1960er Jahre konnte die Edelhofkapelle durch eine Initiative Ricklinger Bürger und der Familie v. Alten bzw. v. der Osten restauriert werden.

Edelhofkapelle Fenster (3)
Edelhofkapelle Fenster (3)

Die Innenwände der Kapelle sollen früher farbig gestaltet gewesen sein. Das Fensterbild in der Altarwand stellt Marias Verkündigung dar. Der Münchener Künstler Charles Crodel hat es im Rahmen der Restaurierung geschaffen. Auch das Kruzifix und das Taufbecken sind moderne Schöpfungen.

An der Südwand ließ V. J. v. der Osten 1973 das Wappen der Familie v. Alten anbringen.

In der Edelhofkapelle hingen früher zwei alte Glocken. Die eine, 1483 im Geburtsjahr Martin Luthers gegossen, hängt seit 1888 in der Michaeliskirche. Die andere – kleinere – Glocke stammt aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts und steht jetzt auf einem Sockel neben dem Altar.

Edelhofkapelle Hahn Detail (2)
Edelhofkapelle Hahn Detail (2) Im Jahr 2009 bekam die Edelhofkapelle eine neue Orgel. Im Rahmen der Fusion der beiden Kirchengemeinden Michaelis und Maria-Magdalenen wurde die Maria-Magdalenen-Kirche verkauft. Die dort befindliche Orgel wurde generalüberholt und an die Empore der Edelhofkapelle angepasst.

Die für die Kapelle im Jahr 2005 beschaffte Truhenorgel wurde in der Michaelis-Kirche aufgestellt. Dort wird sie für Konzerte und besondere Gottesdienste benötigt.

Edelhof Herbst
Edelhof Herbst

Seit der Einweihung am 1. Mai 1966 nach der Restaurierung steht die Edelhofkapelle den Ricklingern wieder zur Verfügung. Sie ist besonders beliebt für Hochzeiten, Taufen und andere besondere Gottesdienste – in den Sommermonaten z.B. sonntags als „Sommerkirche“. Auch viele Konzerte finden hier statt. Zur Tradition geworden ist der Weihnachtsmarkt, der jedes Jahr am 2. Adventswochenende vor der Kapelle stattfindet. Die Edelhofkapelle ist heute ein beliebter und wichtiger Ort für das kirchliche und kulturelle Leben in Ricklingen.

Quellenangabe Paul Graff Zur älteren Geschichte der Gemeinde Ricklingen Richard Böttcher “Wussten Sie schon”, Wissenswertes über Ricklingen Victor Jürgen v. d. Osten Auf den Spuren Alt-Ricklingens Horst Schweimler Ricklingen

Text und Fotos dieser Seite: Jürgen Walter